Leere Werbebilder: Warum ich keine Styled-Shootings (mehr) mache.

In einer Welt, in der alles inszeniert wird, kann eines nicht inszeniert werden: Echte Emotionen. Jedes Mal, wenn ich über ein perfekt inszeniertes Styled-Shooting stolpere gruselt es mich.

Was ein Styled-Shooting ist? In der Hochzeitsbranche ist das ein Shooting, bei dem verschiedenste Dienstleister zusammen kommen und eine Hochzeit arrangieren. Die Deko ist aufwendig, es ist ein Tisch für eine kleine Gruppe von maximal 10 Leuten eingedeckt, eine Trauredner:in steht am Traubogen und die Location ist fancy. Es gibt ein Modelpaar, das bestenfalls wirklich verliebt ist und alle Posen perfekt beherrscht, weil sie das schon öfter gemacht haben. Meistens haben sie Tattoos, lange Haare oder sonstige hippe Gadgets, warum sie grade für dieses Shooting angesagt sind. Es gibt sogar Anleitungen im Internet, wie man Styled-Shootings organisiert.

Ich weiß, ich mache mir keine Freunde mit diesem Beitrag, aber ich habe das Gefühl, dass ich ein paar Worte über diese Art von Shooting verlieren muss und ein Plädoyer für echte Emotionen aussprechen. Vor allem weil ich gefühlt nur noch Styled-Shootings sehe und mich das mittlerweile wirklich nervt.

Ich gestehe aber direkt zu Beginn, dass auch ich schon einmal ein Teil eines solchen Shootings war und beginne mit dieser Geschichte. Als die Anfrage von anderen Dienstleistern 2016 rein kam ein solches Shooting zusammen zu planen fand ich das erstmal toll. Man kann seine Ideen umsetzen, hat keinen Zeitdruck und könnte sogar problemlos den Termin verschieben, falls das Wetter nicht passt. Ich war sofort Feuer und Flamme und hinterfragte das Konzept keineswegs. Es war eine tolle Möglichkeit für jeden Beteiligten, dachte ich zumindest.

Ich schätze nach wie vor jeden Dienstleister, mit dem ich an diesem Nachmittag gearbeitet hatte sehr und finde es natürlich auch wichtig, dass diese Menschen tolles Werbematerial ihrer Arbeit haben, aber darum geht es in meiner Kritik an Styled-Shootings nicht.

Das Hauptproblem kam bereits damals mit der Frage auf „Wer ist denn das Paar?„. Es gab verschiedenste Models die sich gemeinsam oder auch alleine beworben hatten. In der Organisationsgruppe machte ich schnell klar, dass ich als Filmerin auf jeden Fall ein echtes Paar bevorzuge. Aufrichtige Emotionen kann man nicht faken und das würde man spätestens im bewegten Bild erkennen. Meinem Wunsch wurde nachgegeben und wir fanden ein tolles Paar, dass sich in der künstlich erschaffenen Kulisse von uns ablichten ließ. Am Ende wartete dann viel Nachbearbeitung auf mich und ein seltsames Gefühl auf das ich später noch eingehen werde.

Instagram ist überfüllt mit Werbebildern von Styled-Shoots.

Auch noch viele Jahre später hat sich das Styled-Shoot in der Hochzeitsszene etabliert. Oftmals werden diese im Rahmen von Workshops organisiert, damit die Teilnehmer für bevorstehende Hochzeiten geschult werden. Das Problem daran ist, dass diese vermeintlich perfekten Bilder zum Standard für echte Hochzeiten herangezogen werden und das Brautpaare meiner Meinung nach total getäuscht werden. Warum ich das so scharf formuliere? Nun ja, stellt euch folgende Situation vor. Ihr besucht ein Restaurant und der Koch serviert euch Essen, dass er nicht selbst gekocht hat. Das Lob oder auch die Kritik würden nicht ihm gebühren und vor allem wüsstet ihr nicht mal, ob er selbst über die Fähigkeiten verfügen würde, die es eigentlich bedarf um ein köstliches Gericht zu zaubern. Nichts anderes sind Styled-Shoots für mich.

Es sind fertig servierte künstliche Produkte und diese sagen nichts über das eigentliche Können des Fotografen aus. Die Lichtverhältnisse, die Deko, einfach alles ist perfekt und nichts wird dem Zufall überlassen. Zeitdruck gibt es nicht und man kann so lange fotografieren, bis man den „perfekten Shoot“ hat. Das hat alles nichts mit echten Hochzeiten zu tun, die meistens durch Zeitdruck, Zufälle und schwierige Umstände geprägt sind.

Ich hatte noch nie eine Hochzeit, bei der ich mir Zeit lassen konnte. Alles ist eingebettet in einen Tagesablauf. Ein Paar, das hauptberuflich modelt hatte ich auch noch nie. Es waren meistens Paare, die das erste Mal überhaupt vor der Kamera standen. Hier war es für mich wichtig zu lernen, wie ich die Paare anleite. Das fällt meistens bei modelnden Paaren weg, die alle Posen perfekt beherrschen und nacheinander abspielen. Was die Dekoration und Eventgestaltung betrifft habe ich allerdings schon alles erlebt. Vom selbstgebastelten bis hin zum professionellen Dekokonzept war alles dabei. Das Können eines Fotografen resultiert jedoch daraus, ob er mit variierenden und schwierigen Umständen umgehen kann und wie er die Dinge aussehen lässt. Meistens müssen Entscheidungen und Einstellungen blitzschnell getroffen werden, um keine wichtigen Momente zu verpassen.

Viele Paare, die Fotografen gebucht haben, die nur mit Styled Shoots auf ihren Homepages werben, sind am Ende von der eigentlichen Leistung des Fotografen meistens enttäuscht. Ich verstehe zwar, das Styled-Shoots zu Schulungszwecken ihren Nutzen haben, aber sie haben nichts mit realen Hochzeiten zu tun und sollten daher meines Erachtens nach überhaupt nicht als Werbematerial genutzt werden.

Echte Emotionen

Was mir neben dem gestellten Paar immer fehlt sind die Menschen, die den Hochzeitstag mit dem Brautpaar verbringen. Wo sind die schluchzenden Omis, die gerührten Eltern und die lustigen Kinder? Die zwischenmenschlichen Verbindungen sind so komplex und vielschichtig, dass man sie nicht spielen kann und es ist einfach schade, dass sie eigentlich nie bei Styled-Shoots vorhanden sind. So bleiben die meisten Styled-Shootings leer und bedeutungslos, weil das Wichtigste fehlt.

Ressourcenverschwendung

Ein weiterer wichtiger Punkt, der gerne vergessen wird ist das Thema Ressourcenverschwendung. Es wird immer von Nachhaltigkeit gepredigt, aber wenn es um Styled-Shootings geht gibt es auf einmal keine Grenzen mehr in der Verschwendung. Da wird richtig aufgefahren. Die Papeterie wird für fiktive Gäste hergestellt und die aufwendige Floristik landet leider auch nach dem Shooting im Müll. Und das alles neben Kosten für Strom oder sonstige Materialien und Dienstleistungen. Denn auch die Zeit die aufgewendet wird ist potentielle Zeit, in der man wirklich Geld hätte verdienen können.

Eine revolutionäre Idee für Styled-Shoots?

Wie vorhin angedeutet überkam mich damals nach dem Fertigstellen des Films ein seltsames Gefühl. Obwohl wir ein echtes Paar hatten (mittlerweile sogar wirklich verheiratet) und der Film wirklich schön wurde, fehlte die Bedeutung. Es blieb eine Inszenierung. Es gab keine Tränen, weil der Tag die Emotionen so toll festgehalten hätte, oder kein Dank, dass man XY im Film sehen konnte. Es war ein Film mit schönen Bildern, mehr nicht. Die Dienstleister freuten sich natürlich über das neue Werbematerial, aber mir fehlte der Lohn, der meine Arbeit hauptsächlich für mich ausmacht: Der Dank und die Rührung der Kunden.

Ganz oft habe ich schon den Gedanken gehabt, dass es doch eigentlich eine schöne Idee wäre, diese Styled-Shoots anders zu konzipieren. Zum Beispiel für Paare, die sich eine Hochzeit finanziell so nicht leisten könnten aber bereit wären für einen Unkostenbeitrag und natürlich gegen Freigabe des Foto- und Filmmaterials das wirkliche liebende Paar zu sein. Ein reales Paar, das toll ausgestattet wird mit geliehenen Kleidern und in einer fancy Location heiraten darf, vielleicht mit ein paar Lieblingsmenschen, die das Essen zahlen…Ein Paar, das am Ende einfach dankbar ist, für diese Möglichkeit, das aber durch die Echtheit einem „Styled-Shoot“ soviel mehr Authentizität verleiht und vor allem echte Emotionen. Damit würde man auch der Ressourcenverschwendung entgegenwirken und der Film und die Fotos hätten eine tatsächliche Bedeutung, zumindest für die zwei Liebenden. Es wäre nicht gespielt, es wäre echt. Die angehenden Fotografen könnten sich so an einer halbwegs echten Hochzeit probieren.

Ich weiß nicht, inwiefern meine Idee umsetzbar ist, aber ich hoffe auf mehr Aufmerksamkeit dem Thema gegenüber. Die potentiellen Kunden sollten auch immer wissen, ob sie grade eine echte Hochzeit sehen oder eine gestellte Situation aus zuvor genannten Gründen. So viel vorweg, auf meiner Homepage findet ihr keine einzige gestellte Hochzeit, sondern nur echte Paare und Hochzeiten.

Ansonsten empfehle ich allen Menschen, die mit dem Gedanken spielen Hochzeiten zu fotografieren, als Second-Shooter bei anderen Fotografen mitzulaufen. So lastet die Verantwortung nicht sofort komplett auf euren Schultern, aber ihr lernt hautnah, wie schnell man agieren muss, wie es ist unter Zeitdruck zu arbeiten und wie echte Emotionen einzufangen sind. Denn darauf kommt es am Ende an: auf die echten Emotionen und keine leeren Werbebilder.

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